Abgabetermine sind janusgesichtig. Ohne die segensreiche Drohung einer Deadline würde so mancher Text nie zum Abschluss kommen, ja bisweilen noch nicht einmal begonnen werden. Auf der anderen Seite führen Abgabefristen nicht nur bei den Studierenden zu Magenkrämpfen, Schlaflosigkeit, Durchfall, Übersprungshandlungen oder exzessivem Zigarettenkonsum.

Es ist überhaupt eine merkwürdige Erfahrungsresistenz im Wissenschaftsbetrieb festzustellen – denn im Umgang mit Termingeschäften scheinen sich Studenten und gestandene Wissenschaftler höchstens graduell zu unterscheiden. Natürlich gibt es sowohl bei den Studierenden wie den Dozenten ein breites Feld derjenigen, die unproblematisch und rechtzeitig ihren Verpflichtungen nachkommen. Daneben gibt es aber diejenigen, die sich auch im fortgeschrittenen Alter noch an der Kultivierung des eigenen Deadline-Managements abarbeiten. Wer jemals ein Handbuch mit vielen Autoren herausgegeben hat, weiß ein Lied davon zu singen. Die großzügig angesetzte Abgabefrist wird vielleicht von einem Drittel der Autoren eingehalten. Ein weiteres Drittel entschuldigt sich und liefert mit akzeptabler Verspätung von Wochen oder Monaten. Im letzten Drittel allerdings steckt so manches Risiko. Unaufschiebbare Geschäfte, langwierige Krankheiten, berufliche Veränderungen, anderweitige Verpflichtungen – es gibt tausend Gründe, die der Fertigstellung eines Beitrags entgegenstehen. Aufschlussreich ist die sehr unterschiedliche Art des kommunikativen Handelns bei derartigen Terminengpässen. Der eine stellt sich wochenlang tot und antwortet einfach nicht. Nachfragen per Anrufbeantworter, übers Sekretariat oder per Mail verhallen im Nirgendwo. Der nächste gibt sich zerknirscht und verspricht schnellstmögliche Lieferung. Besonders schuldbewusste Autoren bringen es fertig, täglich die Fertigstellung „noch heute Nachmittag“ anzukündigen – und das über Wochen. Schließlich gibt es noch den Routinier, der vor der dritten Mahnung erst gar nicht anfängt. Er kennt schließlich seine Kollegen. So verzögert sich der Druck des Buches Woche um Woche – und der verzweifelte Herausgeber sehnt sich Zustände herbei wie bei den Bachelor-Arbeiten der Studenten. Die müssen einfach nach drei Monaten fertig sein – oder die Arbeit wird nicht mehr angenommen.