Die Verfahren des heutigen wissenschaftlichen Publizierens sind vorbildlich qualitätsgesichert, von Ethikkommissionen überwacht und „doppelblind“ peerevaluiert. Das heißt, der Autor weiß nicht, welcher Kollege seinen Aufsatz begutachtet, bevor er erscheint – und umgekehrt
weiß der Gutachter nicht, wessen Aufsatz er da für die Veröffentlichung empfiehlt oder ablehnt.
Es gelten höchste Ansprüche.
Es gibt nur ein kleines Problem: Bestenfalls die Hälfte der Aufsätze in wissenschaftlichen Journals wird von anderen Personen als den Gutachtern gelesen; neun von zehn Artikel werden von anderen Wissenschaftlern nie zitiert. Leerlauf auf höchstem Niveau, so scheint es. Aber es lohnt sich offenbar – zumindest für die Forschungskarrieren und für die Verlage. Was die Gesellschaft davon hat, steht auf einem anderen Blatt. Unter dem Namen „Amazons Mechanical Turk“ bietet
Amazon schon länger in den USA die Vermittlung von einfacheren Dienstleistungsaufträgen an. Arbeiten wie das Abtippen von Audio-Dateien – zum Beispiel ins Diktafon gesprochene Arztbriefe, sozialwissenschaftliche Interviews und so weiter – oder Usability-Tests für Webseiten und Ähnliches werden online anonym abgewickelt, ohne dass die Geschäftspartner viel mehr voneinander kennen als die Bankverbindung und die E-Mail-Adresse.
Als ich neulich von einem Datenbank-System eine Mail zu einer Publikationsanfrage bekam, musste ich an Amazons Mechanical Turk denken. Der hat jetzt nämlich Konkurrenz bekommen. Vom automatischen Wissenschaftler. Die vollständig automatisierte Publish-or-Perish Betriebsamkeit hat eine weitere Stufe erreicht. Anfragen für Beiträge zu Sammelbänden oder Handbüchern kommen nicht mehr kollegial per Telefon oder als E-Mail einer Studentischen
Hilfskraft. Sie kommen heute gleich aus der digitalen Verlags-Plattform. Früher hieß es „publish or perish“ (publiziere oder verschwinde). Heute gilt „publish and perish“.