Der Referent zu Beginn: „Ich mach’s ganz kurz“ , um dann die vorgesehene Zeitmarge sehr deutlich zu überschreiten. Diese seltsame Erfahrung macht man immer wieder – und zwar nicht nur bei Studenten bei ihrem ersten Vortrag, die eigentlich am liebsten gar nichts sagen würden und aus lauter Unsicherheit dann kein Ende finden. Sondern gelegentlich auch bei gestandenen Wissenschaftlern. Ist es offenbar schon beim mündlichen Vortrag schwierig, eine realistische Vorstellung vom Umfang zu entwickeln, so gilt dies umso mehr für Aufsätze und Beiträge in Sammelbänden.
Ich habe es erlebt, dass statt der vereinbarten 15-20 Seiten stolze 70 Seiten geliefert wurden – ohne jeden Anflug von Schuldbewusstsein. Und natürlich war es auch fast unmöglich, den Autor davon zu überzeugen, dass auf einiges durchaus verzichtet und anderes durchaus in knapperer Form berichtet werden kann. Ja, dass die knappere Fassung im ureigensten Interesse des Autors sogar höhere Überzeugungskraft, nachhaltigere Wirkung zu erzielen vermag.
Aber der Wissenschaftler als Autor tendiert dazu, alles, was er mühsam erarbeitet oder exzerpiert hat, auch schwarz auf weiß verewigt sehen zu wollen. Auch hält sich eine gewisse Ehrfurcht vor dem besonders dicken Buch – als sei allein schon Quantität ein Ausweis von Gelehrsamkeit. Man muss gar nicht unbedingt an die Text-Miniaturen des neuesten Twitter- Zeitalters denken, um zu begreifen, dass etwas dran ist, an der alten Redensart „in der Kürze liegt die Würze“ . Die Alten wussten das immer: „Entschuldige die Länge des Briefes, ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen,“ in diesem Goethe zugeschriebenen Zitat steckt jedenfalls mehr als ein Fünkchen Wahrheit.
(veröffentlicht am: 06.04.2017)