Man hatte es längst geahnt. Kenner des wissenschaftlichen Publikationsbetriebs mit seinen inzwischen fast flächendeckenden Peer-Review-Ritualen sind dementsprechend nur wenig verwundert, dass es nun auch in der Sonderpädagogik einen Fälschungsskandal gibt. Und zwar einen mit Ansage! Zwei Professoren ist es gelungen, die erfundenen Ergebnisse eines erfundenen Forschungsprojekts in einem Fake-Beitrag in das angesehene Fachorgan „Zeitschrift für Heilpädagogik“ einzuschmuggeln. Und keiner hat es gemerkt. Weder in der Redaktion, noch unter den Kollegen, die das Fake-Produkt im Peer-Review durchgewunken haben, noch aus der Leserschaft hat irgendjemand Verdacht geschöpft. Im Nachhinein freilich, nachdem die Autoren ein „Bekennerschreiben“ nachgeliefert haben, ist die Empörung groß. Die Redaktion hält dem Autoren-Duo vor, dass eine derartige Beweisführung „mit seriösem wissenschaftlichen Vorgehen unvereinbar“ sei. Was aber haben die beiden bewiesen? Sie haben gezeigt, dass man im heutigen, an der sogenannten Evidenzbasierung orientierten Forschungsbetrieb den größten Blödsinn behaupten kann – Hauptsache man bezieht sich auf den internationalen Forschungsstand, prahlt mit eingeworbenen Drittmitteln und untermauert das Ganze mit schwer verständlichen statistischen Messwerten und Kennziffern. Statt „ernsthafter pädagogischer Überlegungen zu drängenden Fragestellungen“, so die Autoren der Fake-Studie, dominiere heute mehr und mehr eine blinde Zahlengläubigkeit. Der erfundenen, aber doch so reibungslos platzierten Empirie fehlte eine schlüssige theoretische Grundannahme, ja sie widersprach jeglicher pädagogischen Vernunft. Fazit der Autoren: „Über die Förderung sozial benachteiligter Kinder in inklusiven Settings müssen wir nachdenken – allerdings verbietet die Fragestellung den Rahmen standardisierter Förderprogramme!“ Formale Unangreifbarkeit hat inhaltliche Überzeugungskraft ersetzt. Schade eigentlich.

(veröffentlicht am: 06.10.2016)