Nach Abschluss meines Studiums hatte ich zur Finanzierung meiner Doktorarbeit auf dem Heidelberger Schloss als Fremdenführer gearbeitet. Eigentlich ein toller Job, weil ich mich dadurch erstmals intensiver mit Architekturgeschichte, mit europäischer Geschichte und natürlich mit Geistesgeschichte befassen konnte. Als sich 1986 die Gründung der Universität Heidelberg zum 600. Mal jährte, fasste ich den Plan, die Universitätsgeschichte aufzuarbeiten. Schnell war ein renommierter Verlag gefunden.
Der hatte dann aber volles Verständnis, als ich eingestehen musste, dass sechs Monate für die Aufarbeitung von 600 Jahren Geschichte ein bisschen knapp bemessen waren. So blieb es bei „Heidelberg. Schicksal und Geist“, dem dickleibigen aber einfühlsam geschriebenen Werk des Kulturwissenschaftlers Richard Benz über das opulente von Hegel bis Habermas, von Feuerbach bis Max Weber, von Treitschke bis Gadamer sich erstreckende Geistespanorama dieser Stadt, die einst auch Hochburg der Romantiker war.
Die schönste Universitätsgeschichte hatte Walter Jens für Tübingen 1977 zur 500 Jahr-Feier verfasst – mit sehr viel Liebe zum Detail entstand ein lebendiges Bild des Alltags der Professoren, als es noch statt eines C4 oder W3-Gehaltszettels ein paar Fuder Brennholz, ein Fass Wein und andere Naturalien gab. Als die Professoren noch auf Hörergeld und die ihnen übertragenen Pfründe angewiesen waren. Verglichen mit einer altehrwürdigen Alma mater wie Heidelberg oder Tübingen umfassen die gerade mal 50 Jahre, die die Heinrich-Heine-Universität zu feiern hatte, natürlich eine kleine Zeitspanne. Auch für diese 50 Jahre wäre es reizvoll zu zeigen, wie sich Sozial- und Kulturgeschichte im kleinen universitären Kosmos spiegelt. Was wird man wohl zur 100-Jahrfeier über die heutige Situation, über hochspezialisierte Exzellenzcluster, über machtlose Hochschulräte, über eLearning-Gehversuche und Gleichstellungsbeauftragte lesen?