Festschriften, Festreden und Lobeshymnen in den Leitmedien seien jedem Jubilar gegönnt. Auch bei Wolfgang Löwer ist es sicher nicht unstatthaft, dass sein Nachfolger als Oberhirte der deutschen Ombudsmänner in der Wissenschaft, eine ausgesprochen schmeichelhafte Laudatio in der FAZ Anfang Juni veröffentlicht. Ein bisschen Wasser im Wein schmeckt allerdings für denjenigen durch, der die zahllosen Interviews verfolgt hat, die Löwer im Zuge der Plagiatshysterie gegeben hat. Zwar hat Löwer immer wieder die sehr vernünftige Forderung vertreten, dass eine Verjährungsfrist auch hinsichtlich von Plagiatsvorwürfen sinnvoll sei. Er ließ sich aber auch mit den Worten zitieren, dass die meisten Plagiatsfälle völlig evident und die Rücknahmeregelungen weitgehend einheitlich seien. Dass diese Feststellung mit der Realität nicht viel gemeinsam hat, fällt jedem auf, der auch nur die prominenten, sehr ähnlich gelagerten Fälle Schavan, von der Leyen, Lammert nebeneinanderlegt. Die unterschiedlichen Entscheidungen offenbaren nämlich nicht etwa subtile Abwägungen im Einzelfall – sondern schlicht real existierende Entscheidungswillkür. Löwer müsste es auch aus eigener Erfahrung besser wissen. Er nämlich war 1991 beteiligt, als die Universität Bonn beschloss, Margarita Mathiopoulos ihren Doktortitel trotz Plagiatsvorwürfen nicht zu entziehen. 2012 dann kam dieselbe Universität Bonn in anderer personeller Besetzung zum Schluss: Entzug. Bei Margarita Mathiopoulos hat ein- und dieselbe Universität also über ein- und dieselbe Dissertation aus dem Jahr 1986 zu zwei Zeitpunkten zwei unterschiedliche Urteile gefällt. Mit Verlaub, Herr Kollege Löwer, Rechtssicherheit sieht anders aus.
Demnächst wird ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig erwartet, wohin sich Mathiopoulos gewendet hat, nachdem sie in den Vorinstanzen verlor. Dass es vor Bundesgerichten manche Überraschung geben kann, konnte man zuletzt am BVG-Urteil zum Plagiatsstreit der Elektropop-Pioniere Kraftwerk gegen den HipHop-Produzenten Moses Pelham erleben. Seltsamer Zufall: Schon wieder haben sich humorlose Düsseldorfer als Gralshüter des Urheberrechts in Szene gesetzt. Es ging um ganze zwei Sekunden aus dem Kraftwerk-Titel “Metall auf Metall“ aus dem Jahr 1977. Das Bundesverfassungsgericht entschied – anders als die Vorinstanzen – für die Freiheit der Kunst, gegen Kraftwerk.
(veröffentlicht am: 23.06.2016)